Design und Bio-Liebe in Neuengland: Roadtrip durch den Indian Summer
Neuengland im Nordosten der USA umfasst sechs Staaten auf wenig Raum: Connecticut, Massachussetts, Vermont, New Hampshire, Maine und Rhode Island. Wir bereisten fünf von ihnen mit kleiner Geschwindigkeit und großem Auto. Eine Auslese in Sachen Hotels, Kulinarisches, Museen, Shops und was es sonst noch zu entdecken gibt.
Titelbild: Grace Mayflower Inn & Spa (Infos ganz unten)
1. Station Massachussetts: Shopping in den Berkshires
Auch wenn Boston die zentralste der New England Citys ist, reisten wir aus dem südlicheren New York an. Wer hier früh startet, erkundet am besten einen oder mehrere der hübschen Berkshire-Örtchen auf der ersten Etappe. Wir machten in Great Barrington Halt, wo neben den Neuengland-typischen Antiquitätengeschäften (etwa Emporium Antiques) vor allem der Designstore One Mercantile Stöber-Spaß verspricht.
Hoteltipp: Canyon Ranch Lenox
Von hier aus ist es nur noch eine halbe idyllische Stunde bis nach Lenox, wo man der Design Menagerie unbedingt einen Besuch abstatten sollte. Wir checken aber erst mal in der Canyon Ranch ein. Was nach wildem Westen klingt, kommt herrschaftlich daher: Ein altes Herrenhaus thront über fein gepflegtem Rasen, dahinter nur bunte, wogende Wipfel. Auf dem Weg zur Rezeption fühlt man sich allerdings weniger an die Tage der frühen Pioniere zurückversetzt, als mitten ins Filmset der Golden Girls. Nach und nach wird der 80er-Jahre-Charme gerade modernisiert.
Doch die Gäste kommen nicht wegen äußerer Belange. Mit einem riesigen Sport- und Seminarprogramm und Experten für nahezu jedes Krankheitsbild oder Alltagsproblem geht es um die Förderung innerer Werte. Schlafanalysen, geführte Hiking Trips, Mindfulness-Seminare, Spa-Treatments oder auch Bastelstunden – nach drei Tagen in dieser Parallelwelt mit gesundem Essen und ohne Alkohol, in der man sich ausschließlich in Sportklamotte vom Frühstück zum Spa zum Yogaraum bewegt, kommt die Frage auf, ob man nicht ein oder zwei der rotkronigen Bäume ausreißen könnte.
Die Canyon Ranch ist ein No-Tipping-Resort (keine Trinkgelder) und ausschließlich all inclusive buchbar. Samt ausuferndem Wochen-Programm ab 800 Dollar pro Nacht und Person. Extra kommen Spa- und Kosmetik-Treatments, Privattrainer-Stunden oder medizinische Programme.
Moderne Kunst im MASS MoCA
Auf der Weiterreise Richtung Vermont empfehlen wir unbedingt einen Stopp im Tempel für zeitgenössische Kunst MASS MoCA in North Adams. Industrie-Kulisse und moderne Installationen beflügeln sich gegenseitig in neue Sphären der Kunstdarstellung. Wer einmal die Leipziger Baumwollspinnerei besucht hat, kennt das Phänomen.
2. Station Vermont: Food Tasting rund um Burlington
Das Ahornsirup-getränkte Farmland wird von europäischen Touristen gemeinhin unterschätzt. Zur nächsten Großstadt – Montréal – muss man schon die kanadische Grenze passieren und Meer ist auch nicht in Sicht. Es ist Heimat und Hochburg des liberalen Präsidentschaft-Kandidaten Bernie Sanders und möglicherweise die Wiege des Hashtags #foodporn.
Die Zahl der Antiquitätenläden wird hier durch jene für alles „homemade“ oder „organic“ überflügelt: Apple Cider, Schokolade, Ahornsirup, Kürbis-Schmankerl aller Art, Käse, diverse Spirituosen, Weine und Craft Biere – was darf’s sein? Wir empfehlen, sich im Studentenstädtchen Burlington eine Karte der Tasting-Stationen in der Umgebung zuzulegen und mindestens einen Tag im Bio-Wonder-Land einzuplanen. Abendlich abgerundet beim Farm-to-Table-Menü in cool-alternativem Ambiente.
Das Besondere an Vermont ist, dass die vielen Landwirtschaftsbetriebe schon immer Haupteinnahmequelle des Staates waren. Nur heute entsprechen die biologisch wertvollen Erezugnisse wieder dem Zeitgeist und die Bauern avancieren zu Rockstars. Eine Übersicht bietet Vermontvacation.com
Hoteltipp: Made Inn
Unsere Basis liegt im Studentenstädtchen Burlington am Lake Champlain. Das Bed & Breakfast Made Inn, das von außen wie das Klischee eines Hexenhäuschens daherkommt, entspricht innen dem ironischen, divenhaften, überschäumenden Charakter seiner Besitzerin Linda. Auf eine gute Art.
Jedes der vier Zimmer hat sein eigenes Design, Getränke in der Mini-Bar und im gemeinsam genutzten Frühstücksraum sind inklusive – selbst Wein und Bier – und zu jeder Tageszeit steht ein süßer Snack auf dem Tisch. Verregnete Nachmittage, die bei einem herbstlichen Trip in Amerikas Norden durchaus vorkommen können, lassen sich wunderbar mit einem Bildband im Wohnzimmer oder im beheizten Hot Tub auf der Terrasse verbringen.
Was man bedenken sollte: Alle Gästezimmer und die zwei Bäder finden sich im ersten Stock – ohne Aufzug. Wen das nicht stört, der wird hier ein paar ungewöhnlich heimelige Tage verbringen. Die Nacht im DZ des Made Inn gibt’s ab 239 Dollar.
3. Station New Hampshire: White Mountains
Was anderswo als Nationalpark durchgehen würde, heißt hier unbekümmert „Forest“ (Wald). Auf den unzähligen Wanderstrecken der White Mountains lassen sich die in Vermont angefutterte Pfunde wieder abtrainieren – und an sonnigen Herbsttagen bringt schon das Durchfahren den vollen Reiz des Indian Summers ans Licht.
Wer eine mehrtägige Wandertour auf den Spuren des berühmten Weitwanderwegs Appalachian Trail plant, kann sich auf der Website des AMC (vergleichbar mit dem hiesigen Alpenverein) informieren und Schlafplätze in Hütten wie der Greenleaf Hut (unten) reservieren: www.outdoors.com
4. Station Maine: gelobtes Lobster-Land
Im Küstenstaat Maine verdrängt der Hummer das Ahornsirup von Platz 1 der kulinarischen Beliebtheitsliste. Wir haben uns in der Gegend rund um das Örtchen Camden genauer angesehen. Hier die Favoritenliste spätherbstlicher Aktivitäten:
Hoteltipp: Whitehall Maine
Eigentlich könnte man einen Neuengland-Trip fast ausschließlich in den Häusern der unabhängigen kleinen Kette Lark Hotels verbringen. Die Bostoner Interiordesignerin Rachel Reider gestaltet sie ausnahmslos außergewöhnlich und auf ihre jeweilige Location angepasst. In Camden passte sie die Materialien der küstennahen Lage an. Wir lieben aber vor allem die bunten und doch fein abgestimmten Stoffe – gute Laune garantiert!
Doppelzimmer im Whitehall Maine inklusive Frühstück ab 129 Dollar.
Sehr empfehlenswert und natürlich „all organic“ ist auch ein Dinner im hauseigenen Restaurant Pig + Poet.
5. Station: Connecticut
Mit einem Zwischenstopp in Boston und einem Besuch des sehr sehenswerten Mark Twain House in Hartford steuern wir die letzte Station unserer Reise an. Sie liegt in Connecticut, Heimat von Rory und Loreley Gilmore aus der US-Erfolgsserie. Besucher werden feststellen: Die Idylle gibt’s nicht nur am Filmset.
Hoteltipp: Grace Mayflower Inn & Spa
Unsere Unterkunft findet sich nicht weit vom „Upstate New York“ und wird daher vor allem von eleganten Großstädtern auf Erholungssuche bevölkert. Im vielleicht schönsten Spa Neuenglands fühlt man sich nicht nur wegen der komplett weißen Gestaltung wie im Himmel, die Küche bietet von Glam-Burgern bis Fine-Dining-Lobster Hochgenüsse und in den romantisch bis elegant gestalteten Zimmern fühlt man sich wohl. Kurz: herrlich!
Eine Nacht im Grace Mayflower Inn & Spa gibt’s ab 525 Dollar pro Zimmer.
Allgemeine Tipps
Die beste Reisezeit für den Indian Summer ist der komplette September – gerade an der Küste gehen nach dem Columbus Day Weekend, dem ersten Oktober-Wochenende, viele Läden und Tourenveranstalter in die Winterpause. Zudem färben sich die Blätter von Norden aus nach Süden. Daher kann es sich lohnen, die Route in die entgegen gesetzte Richtung zu planen: Boston – Maine – New Hampshire – Vermont – Massachussetts – Connecticut – Boston.
Mehr Infos und kostenlose Straßenkarten gibt’s bei Discover New England (deutschsprachig).
Die gesamte Region bereist man am zentralsten von Boston aus, aber auch das südliche New York ist ein guter Startpunkt. Beide Städte werden von den meisten Fluglinien angesteuert. Unseren Mietwagen haben wir über Alamo geliehen und sind auf ganzer Linie gut damit gefahren.
Bleibt jetzt nur noch zu wünschen übrig: Have a good trip!