Keramik aus Italien: Das Drama einer aussterbenden Zunft
Britta Herrmann liebt Keramik und lebt in einem alten Haus zwischen Olivenbäumen und Hühnern. Es liegt in den Bergen von Pistoia. Inmitten dieses Idylls wurde sie Teil eines Dramas: Was sie einst hierher zog und ihre Produkte besonders macht, wird es vielleicht bald nicht mehr geben.
„Hier sind die Kleinen Dinge wichtig. Niemand definiert sich über sein Auto oder das, was er hat. Mehr über das, was er tut.“ Italien sei liebenswert, gastfreundlich und chaotisch, sinniert die Designerin. Zwar musste sie ihren toskanischen Handwerkern zunächst einbläuen, dass sie nicht zehn Uhr meint, wenn sie neun Uhr sagt, doch damit erschöpft sich das „typisch Deutsche“, das sie von Hamburg mit nach Pistoia nahm.
Die Keramik, die sie heute mit immer gut gebauten älteren Herren entwickelt („Die haben Arme wie Nussknacker!“), hat aber nichts mit souvenirträchtiger Kitschware gemein. Klare Linien und eine skandinavische Anmutung prägen das Bild. Doch der feine Unterschied liegt in der italienischen Expertise. „Hier gibt es noch die kleinen Manufakturen, die alten Leute, die ihr Handwerk 40 Jahre lang gelernt haben.“ Massenproduktion und deren Profit wird kein Wert beigemessen.
Wie so oft beginnt die Idee mit einer Skizze und einer zweidimensionalen Form aus Karton. Da sie den acht Kilo schweren Prototypen niemals alleine hochziehen könnte, trifft die Designerin sich mit einem Dreher – ihr Mann für die ersten Stunden. Die eigentliche Produktion übernehmen später andere.
Gefällt die neue Form, muss sie einige Tage an der Luft trocknen. Anders als ihre terrakottaliebenden Landsmänner arbeitet Britta Herrmann mit weißem Ton. So muss die rote Vase nicht vor dem Bemalen grundiert werden, was ihr eine besondere Tiefe verleiht. Die nicht-bleihaltigen Keramik-Farben (schwieriger zu handeln, aber zeitgemäß!) werden direkt auf den Ton gepinselt. Alles Weiße ist damit Aussparung.
Nach der mehrtägigen Trockenzeit ist der Ton des Prototypen noch immer bearbeitbar und reif, eine echte Schönheit zu werden. Die Künstlerin arbeitet nun Linien und Kanten heraus. Ist sie zufrieden, wandert die Keramik für 12 Stunden in den Ofen, bei maximal 1040 Grad.
Nun ist die Vase bereit für den letzten Schliff, ein Farbenkleid und eine Glasur, die sie wasserdicht macht. Bei den schwarz-weißen Designs wird die Farbe direkt auf den weißen Biskuit gepinselt. Heißt im Klartext: Es gibt nur eine Chance – einmal vermalt und das Stück ist fehlerhaft. Britta Herrmann selbst übernimmt dieses Risiko nur für den Prototypen. „Danach machen das andere, die es einfach besser können.“
Abschließend kommt das Stück noch einmal für zehn Stunden in den Ofen, bei etwas weniger als 1000 Grad. Und ist nun gewappnet, in den Manufakturen in Montelupo Fiorentino oder Faenza in Kleinserie zu gehen.
Die, „die es besser können“ sind meist ältere Männer mit angemessen ausgereifter Erfahrung. So großartig das für die wissberierige deutsche Quereinsteigerin ist, so dramatisch ist es für ihre Zunft: Der Rohstoff Mensch wächst in den toskanischen Landstrichen nicht nach oder verschwindet, bevor die staubigen Produktionshallen Alltag und Magie über ihn ausbreiten könnten.
„Ich frage und lerne. Seit ich mit diesen Männern zusammenarbeite, habe ich gelernt, wie einfach es ist eine App runterzuladen oder mal eben eine Mail zu beantworten. Richtig schwierig ist dagegen, zu wissen, warum meine Glasur Blasen wirft oder wann der richtige Zeitpunkt für die Olivenernte gekommen ist“. Italiens Handwerksschatz liegt in Geist und Fähigkeiten dieser Männer. Doch er wird nicht weitergereicht, bisher nicht einmal dokumentiert. Was die Zukunft bringt, ist nirgendwo niedergeschrieben.
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