Mallorca: Natürliches Make-over für eine alte Finca
Die Architekten von Moredesign entkernten eine verschachtelte Finca in Deià und ließen mit traditionellem Handwerk den Sommer einziehen. Heute sagen sie: „Die größte Herausforderung war es, die Mentalität der Leute zu ändern.“
Von äußeren und inneren Werten
Manchmal sind es dann doch die äußeren Werte, die zählen. Im Inneren dieses Hauses, das am Rand des mallorquinischen Künstlerdorfes Deià liegt, blieb jedenfalls kein Stein auf dem anderen. Zu klein und dunkel die Räume, zu verwinkelt die diversen Um- und Anbauten. Dafür eine hübsche Natursteinfassade, ein unverbaubares Hanggrundstück mit Blick auf das Dorf, die Berge und Olivenhaine, die sich bis zum Meer erstrecken. Und rundum eine Ruhe, die die Kreativdirektorin aus London sofort in ihren Bann zog.
Zehn Jahre lang hatte sie, die nicht namentlich genannt werden möchte, ihre Urlaube in Deià verbracht – und griff schließlich zu, als die Immobilie 2011 zum Verkauf stand. „Das Haus war genau das, wonach ich gesucht hatte. Es bietet wunderbare Ausblicke auf Deià, hat die richtige Größe, einen Garten und den ganzen Tag Sonne. Man kann von hier aus zu Fuß ins Dorf oder an den Strand laufen und es hatte riesiges Potenzial, um den Mix aus einem traditionell mallorquinischen und einem modernen Haus zu schaffen, der mir vorschwebte“, erzählt sie.
Unerwartetes Treffen vor dem Moodboard
Um ein besseres Gefühl für das Haus zu bekommen, zog sie vor dem Umbau erst mal provisorisch in eines der Zimmer. Die Wände beklebte sie mit Wohnmagazin-Ausrissen, die sie inspirierten. Ein Handwerker, der ein paar Wände weißelte, war fasziniert von der Collage. „Er blieb an einer der Fotoserien hängen. Ich sagte ihm, dass dies mein absolutes Lieblingshaus sei, und war ebenso baff wie hellauf begeistert, als er entgegnete, er habe an genau diesem Bau mitgearbeitet und könne mich den Architekten vorstellen.“ Sie lernte das damals noch aufstrebende Architektenduo Moredesign kennen und beauftragte die beiden jungen Männer, die mit Mallorca vertraut und in Deià bestens vernetzt waren, mit dem Umbau des Hauses.
Oro del Negro wurde in Deià geboren, Manuel Villanueva wohnt seit mehr als 20 Jahren auf der Insel. „Wir kannten das Anwesen und fanden immer, dass es großes Potenzial hat – umso schöner, dass dies dann unser erster Auftrag vor Ort wurde“, erinnert sich Manuel Villanueva, der zuvor bereits für Architekturgrößen wie Jean Nouvel, Jacques Herzog und Pierre de Meuron gearbeitet hatte.
Die Natur als Leitfaden und Inspiration
Nach ausführlichen Gesprächen und Brainstormings mit der ideenreichen Besitzerin war die Vision schließlich klar. So behutsam wie möglich sollte das Haus in die Natur integriert und dabei natürliche Materialien wie Altholz, Marmorkalk und Flusskiesel verwendet werden, um eine Verbindung zwischen drinnen und draußen zu schaffen. Die Räume wünschte sich die Eigentümerin hell und offen in einem neutralen Look, der den traditionellen mallorquinischen Baustil mit modernen Möbeln und Accessoires vereint.
„Die größte Herausforderung war, die Mentalität der Leute zu ändern.“
Oro del Negro
Nach dem harmonischen Start wurde es für die Architekten jedoch holpriger. „Die größte Herausforderung war, die Mentalität der Leute zu ändern. Oro und ich hatten zu dem Zeitpunkt beide schon eine längere berufliche Laufbahn hinter uns und wussten genau, was wir wollten. Aber unsere Vision bedeutete, die gängigen Baustandards zu verändern. Dass sie traditionelle Techniken in einer ganz neuen, modernen Lesart anwenden sollten, hat die Handwerker erst mal geschockt.“
Wohnlicher Vintage-Look
Letztlich blieben nur die Außenmauern des Hauses erhalten, innen wurde von der Raumaufteilung über Heizung, Elektrik und tragende Konstruktionen alles erneuert und der verwahrloste Garten komplett neu angelegt. Heute erstreckt sich das grüne Idyll über drei Ebenen, Abkühlung bietet ein zwölf Meter langer Infinity-Pool. Innen setzen Vintage-Funde wie ein aufgearbeiteter Küchenofen, der Flusskieselboden im Esszimmer und Altholzmöbel von Künstler Pedro Casanovas stilistische Maßstäbe. „Viele Stücke haben wir in der Galería Barceló in Santanyí gekauft, andere Teile und Materialien fanden wir bei privaten Streifzügen“, erzählt Manuel Villanueva.
Die Glassammlung der Besitzerin, die sie in der mallorquinischen Glasbläserei La Gordiola sowie beim Bummel über Märkte auf der ganzen Welt aufstöberte, fand in gemauerten Nischen Platz. Einbauten wie die Küche mit Marmorputz, gebleichtem Holz, einem Spülbecken aus behauenem Kalkstein und nostalgischer Messing-Armatur entwarfen die Architekten selbst.
Mittlerweile ist die Handschrift von Moredesign so gefragt, dass die Gründer das Team um drei Architekten und eine Innenarchitektin erweitert haben und längst nicht mehr alle Aufträge annehmen können. Mit der Besitzerin ihres Finca-Erstlings, die sagt, es sei „nicht mein Ferienhaus, sondern mein Zuhause“ geworden, sind sie seit dem Umbau eng verbunden. „Sie ist mehr als nur eine Freundin – sie ist ein Teil der Familie geworden“, adelt Manuel Villanueva die ehemalige Auftraggeberin.
Text: Julia Flöter, Fotos: Nicolas Mathéus/©Bassett Images