Design-Ferienhaus: ein Luftschloss in Südafrika

Bitte reinkommen und rausschauen: Mit smarten Tricks und Stilgespür erweiterten zwei kreative Kapstädter ihren Horizont. Ein Lehrstück über gute (Innen-)Architektur.

Ein zweifelhaftes Gestaltungsmerkmal moderner Architektur liegt in der bedingungslosen Reduktion. Sie manifestiert sich allzu oft in einer Leere, die der Bewohner später nicht zu füllen wagt. Greg Truen, Architekt und Besitzer des in Stein gemeißelten Gegenbeweises am Shelley Point, bringt’s auf den Punkt:

„Schönheit ist eine sehr vernachlässigte Eigenschaft der Architektur. Und auch bei der Innenarchitektur wird oft vergessen, dass Menschen darin leben müssen.“

Grundsätzlich gelte: Ein Bau sollte die Lebensqualität seiner Bewohner verbessern. Dazu das Klima der Umgebung regulieren, gleichzeitig mit dieser verbinden und am Ende auch noch schön anzusehen sein. Dass Greg diese Prinzipien beherrscht, zeigt sich in der zwei Stunden nördlich von Kapstadt gelegenen Silver Bay Villa. Das Wochenend-Retreat ist eine Ode an den Weitblick.

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Dessen wahnwitzigste Wirkung entfaltet sich im Augenblick der Ankunft: Der Bungalow ist auf und an einem Dünenkamm gebaut. Besucher betreten also von der Rückseite kommend das Obergeschoss, das sich in wandhohen Fenstern dem Atlantik öffnet. „Die Südafrikaner lieben Häuser, die sie mit der Außenwelt verbinden. An der Westküste, wo Silver Bay liegt, wird die Tradition reetgedeckter, weißer Cottages gepflegt. Damit wollten wir nicht brechen und doch etwas bauen, das uns kreativ reizt.“ Eine Horizonterweiterung im doppelten Sinne.

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Das Design mit seinen natürlichen Materialien und Farben zitiert die Küstenlandschaft vor der Tür. Interessant wird das Gesamtkonzept aber erst durch ein paar clevere Tricks. Die Verbindungstreben unter dem Reetdach sind keine Eukalyptusholz-Balken wie der Rest der Konstruktion, sondern dünne Stahlgestänge – das macht den Look luftiger.

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Für das Interior mischten Greg und seine Frau Liz, eine Wohnzeitschriftenredakteurin, Designklassiker und Naturtöne mit sogenannten „Wildcards“ auf: Einen etwas verlebten Vintage-Holztisch zu Eames-Chairs, übergroße Leuchten und XL-Sofa zum Used-Look-Kelim.

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Neben dem erhöhten Eingang und der offenen Living-Area brachte die Natur selbst die größten Herausforderungen. Wer die Küste von Südafrika kennt, spürte mit hoher Wahrscheinlichkeit schon mal den „South-Easterly“ durch Hemd und Haar toben – ein penetranter Wind, pragmatisch benannt nach seiner Herkunftsrichtung. Doch diese bringt nicht nur Wind, sondern auch Sonne und Meer. Die komplett verglaste Villenfront reckt sich daher mit Fug und Recht gen Osten. Aber eben nicht ganz: Greg verschob die Fassade um 15 Grad Richtung Süden. Im Untergeschoss gestaltete er sie zusätzlich in Zickzacklinien, um die dahinter liegenden Schlafzimmer zur lichten, aber sturmfreien Zone zu machen.

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In den so entstandenen Fensterecken wurden abgerundete Vorhangschienen in die Betondecke eingelassen – für beschützt-gemütliches Höhlen-Feeling in der Nacht. Weshalb der Vorhang in moderner Architektur oft ein Statisten- bis gar kein Leben führt, wissen Greg und seine Frau Liz nicht sicher zu sagen. „Vielleicht denken viele, dass er in überbordendem Zierrat verwurzelt ist, also dem Gegenteil dessen, wofür moderne Architektur steht. Aber mittlerweile gibt es so viele fantastische Stoffe, die eine architektonische Qualität haben.“ Liz empfiehlt: Textilien immer ihrem Zweck anpassen, darauf achten, dass sie Sonne und anderen Wetterlagen trotzen. Und bei Gardinen in gutes Material investieren, das nicht extra gesäumt werden muss. „Das macht den Look so viel lässiger.“

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Liz hat ihren smarten Lässig-Look mit der Welt verzahnt, die Silver Bay umgibt und in die sie immer wieder eintauchen will – ohne Verfallsdatum. „Die Idee sollte sein, so komfortabel, ungezwungen und elegant zu leben wie möglich. Aus welcher Kultur, Ära oder Designepoche man diese Schönheit zitiert, bleibt jedem selbst überlassen. Oder auch ein Mix aus allen dreien? Wichtig ist nur, den gewählten Style dann auch durchzuziehen – von Anfang bis zum süßen Ende.“

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Design und Architektur: Saota Architects  / Fotos: Sven Alberding/Bureaux/GAP Interiors

Heißer Tipp für Südafrika-Reisende: Silver Bay wird auch an Urlaubsgäste vermietet. Bis zu acht Selbstversorger plus Kids haben Platz: www.silver bay.co.za

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