Duett der Ikonen: Interview mit Tricia Guild und Ulf Moritz

Sie sind die großen Namen des Textildesigns: Tricia Guild, berühmt für ihre großrapportigen Blütendessins und Gründerin von Designers Guild, sowie Textilpionier Ulf Moritz, der ab 1986 eine bemerkenswerte Kollektion beim Nürnberger Textilverlag Sahco führte. In diesem sehr unterhaltsamen Interview erfahren Sie, warum Tricia Guild lange Zeit Angst vor Ulf Moritz hatte und dessen Werdegang eigentlich auf einer Verwechslung beruht.

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Wir haben Sie gemeinsam zum Interview gebeten. Wie finden Sie das?

Ulf Moritz: Ich finde es clever, so unterschiedliche Designer zusammenzubringen.

Tricia Guild: Komplette Gegensätze, wenn man so will. Ich respektiere Ulf sehr, glaube, er ist der beste deutsche Textildesigner.

Ulf: Nun ja, ich glaube, die Leute interessiert vielleicht, was wir zu sagen haben. Also sollten auch starke Aussagen dabei sein. Wie können wir es hinbekommen, dass dieses Interview interessant wird für die Leser, Tricia? Wir sollten nicht zu nett miteinander umgehen.

Tricia: Ist das eine Kampfansage?

Ulf: Ich möchte, dass es kritisch wird.

Tricia: Ich wusste, es wird schwierig mit dir.

Ulf: Findest du es nicht langweilig, wenn alles zu nett klingt?

Tricia: Nein, ich finde das gut. Weißt du, in unserem Business herrscht ohnehin großer Konkurrenzkampf. Ich mag aber, dass es nicht so aggressiv ist wie anderswo. Man akzeptiert andere Herangehensweisen. Ich werde meine Blumen nicht in dein Schlafzimmer hängen, Ulf. Aber vielleicht würdest du sie ja mögen?

Bitte beschreiben Sie Ihren Style doch mal gegenseitig.

Tricia: Soll ich anfangen? Ulf macht sehr maskulines Design und verwendet die innovativsten Materialien, die man sich vorstellen kann. Er ist ein echter Schöpfer. Und er hat einen ganz eigenen Style.

Ulf: Ich kenne Tricia schon sehr lange. Ich war jung, das war in den 70ern. Die Zeit von Mary Quant. In einer kleinen Straße Londons war ein ebenso kleiner Laden: Browns. In seinem Schaufenster standen drei Stücke Porzellan in zartem Pink mit goldenen Punkten. So etwas gab es damals nicht. Es war wunderschön. Ich habe mir den Namen der Künstlerin gemerkt und ihn niemals vergessen: Tricia Guild. Nur für Jack Lenor Larsen hatte ich einen ähnlichen Respekt in meinem Metier. Seitdem verfolgte ich immer, was Tricia tut. Ich mag an ihrem Design, dass es anmutig, sinnlich und einfühlsam ist. Auch wenn es nicht meinem Style entspricht, glaube ich, dass es viele Menschen, vor allem Frauen, die empathisch mit einem Raum umgehen, sehr glücklich macht. Für mich als Deutschen war das immer etwas anderes, wir gestalten ja keine ganzen Räume über und über mit Textilien. Aber du tust das, oder?

Tricia: Ich hoffe doch, ja.

Ulf: Auch ihre Bücher sind toll gemacht. Ich war niemals neidisch auf Tricia, aber immer neugierig. Ihr Stil ist sehr britisch, aber sie hat ihn stets erneuert und doch sieht man jedem Design an, dass es von ihr ist.

Tricia: Wirklich? Das ist total charmant und nett und reizend. Du treibst mir Tränen in die Augen! Jetzt kannst du von mir aus mit dem schlimmen Teil anfangen.

Ulf: Tricia ist für mich mit Abstand die beste britische Textiliendesignerin, dabei gibt es so viele mit gutem Namen in England.

Tricia: Ulf, wir sollten heiraten! Ich will jetzt aber auch mal etwas erzählen: Ich hatte sehr lange Zeit Angst vor Ulf. Weil er so förmlich ist und professionell. Ich habe ihn häufig bei Messen gesehen – er schaut sich immer alles an. Eines Tages dachte ich mir: Ich kenne diesen Mann und seine Arbeit, ich habe so großen Respekt vor ihm und ich werde jetzt einfach mal Hallo sagen. Also bin ich zu ihm hingegangen.

Ulf: Und ich habe ihr von dem Porzellan erzählt. Ich weiß noch, das war in Como: Sonne, ein paar Gläser Wein, ein schönes Hotel, die Villa d’Este.

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Hat Sie etwas auf Ihrem Berufsweg besonders geprägt?

Ulf: Ich habe gerade erst wieder irgendwo den Gaultier-Teddybären mit seinem Korsett gesehen. Hast du so etwas Tricia? Aus der Kindheit?

Tricia: Nein, so eine Geschichte habe ich nicht. Aber eine starke Erinnerung an die Anfangszeit als Designerin: Ich hatte sehr wenig Erfahrung und Geld, nur Passion und einen starken Überlebenswillen. Da war ich vielleicht fünf Jahre im Business und noch unbekannt. Meine Buchhalterin sagte zu mir: „Ich glaube, es ist das Beste, wenn du aufgibst. So, wie du dir das vorstellst, wirst du es niemals schaffen.“ Ich habe dieses Meeting verlassen und dachte: „Auf keinen Fall.“ Ich war schon immer zielstrebig, kann die Idee nicht ertragen, etwas aufzugeben, von dem ich überzeugt bin. Das zeigt sich heute noch, wenn mein Team über ein wunderbares Design sagt, dass es sich nicht verkaufen wird. Wenn es sich richtig anfühlt, will und kann ich es nicht abschieben. Natürlich versuchen wir, wirtschaftlich zu handeln. Leidenschaft verwirklichen und sie finanziell existenzfähig machen – wenn diese beiden Dinge nicht zusammengehen, verliert man.

Wie sieht es mit Ihren Erinnerungen aus, Herr Moritz?

Ulf: Wichtig für meine Zukunft war eigentlich eine Verwechslung. Es war in den späten 50ern, ich war der jüngste Schüler in der Krefelder Kunstschule, ging in die Textilklasse des Bauhaus-Malers Georg Muche. Eigentlich wollte ich Modedesign studieren, was damals für Männer sicher ungewöhnlich war. Am ersten Tag habe ich aber die falsche Tür erwischt: Eine ganze Klasse voller hübscher Frauen saß vor mir. Und ich habe erst mal zwei Tage gebraucht, um zu begreifen, dass ich beim Textil- und nicht Modedesign gelandet bin. Muche war schon recht alt, wollte endlich mal einen Mann in der Klasse und ich war zu jung und höflich, um einfach zu gehen. Das machte man damals nicht, sagen: „Nein, ich will etwas anderes machen.“ Heute ist man freier, aber zu der Zeit war man dafür zu gut erzogen, wenn Sie so wollen. Heute gibt es so wahnsinnig viele Fashiondesigner, also bin ich ganz froh.

Tricia: Genau, vielleicht war es am Ende die richtige Tür.

Leben Sie eigentlich den Style, den Sie entwerfen?

Tricia: Natürlich tue ich das. Es wäre anmaßend, das nicht zu tun. Du lebst doch auch mit deinen Produkten, oder, Ulf?

Ulf: Nein, das tue ich nicht. Wenn ich mit etwas Neuem beschäftigt bin, ist für mich das Alte vergangen. Hast du schon mal einen Fashiondesigner in seinen eigenen Entwürfen gesehen? Nein. Ich lebe neutral. In meinem Haus in Südfrankreich ist zum Beispiel alles weiß, in Amsterdam wieder anders. Man muss fast sagen: Ich entwerfe für andere, nicht für mich. Am meisten verkaufen sich doch ohnehin die schlichten Sachen.

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Wie denken Sie dann über Trends?

Ulf: Ich glaube, Trends braucht keiner. Es gibt heute viele Richtungen und man ist so gut informiert mit dem Internet und allem. Es gibt keine Trends mehr, bei Fashion nicht und im Interior nicht. Das Wort Trend ist für mich passé.

Tricia: Sie mögen hilfreich sein, aber ich hasse den Gedanken, mit meiner Arbeit Trends zu folgen. Ich schaue nicht darauf. Wichtig ist für mich vor allem die Mailänder Möbelmesse, wo man so viel Inspiratives sieht. Sehen Sie, ich glaube, es entwickelt sich im Allgemeinen dahin, Farben, Muster und innovative Materialien zu nutzen. Jeder braucht zurückhaltendere Dinge. Aber es gibt mehr Auswahl als früher. So viele Stile, so viele schöne Dinge und einen viel größeren Wettbewerb.

Ulf: Vielleicht zu groß.

Setzt Sie das unter Druck?

Tricia: Ja, ziemlich sogar. Alles bewegt sich immer schneller.

Ulf: Es gibt zu viele Designer, jeder will heute Designer sein. Oder Fotomodell.

Wir stecken gerade in einer Rezession. Ist man in Zeiten wie diesen weniger mutig?

Tricia: Es ist ausgeschlossen vorherzusehen, was sich verkaufen wird. Ein totaler Trugschluss. Und hätte man alle Informationen der Welt – niemand kann das wissen. Man muss diese Informationen anerkennen und nutzen, aber auch wieder beiseiteschieben. Sonst können wir am Ende gar nichts Neues machen. Dann bleibt einem nur noch die Wiederholung und das ist das Gegenteil von dem, was wir wollen. Der richtige ist niemals der leichte Weg.

Ulf: Sie sollten Tricia mal fragen, ob es für sie ein Handicap ist, so einen definitiven Stil zu haben. Wie weit kannst du gehen, ohne deine Handschrift zu verlieren, für die du bekannt bist und geliebt wirst?

Tricia: Puh, gute Frage. Da muss man sehr vorsichtig sein. Ich glaube, es ist wie bei einem Maler, der seinen eigenen Stil hat, aber auch einen grundlegenden Drang, sich weiterzuentwickeln. Das kann auch eine Falle sein.

Ulf: Siehst du, und da unterscheiden wir uns. Ich versuche immer, etwas Neues zu machen und mich nicht zu wiederholen. Das ist für mich das Wichtigste.

Tricia: Das versuche ich doch auch. Du denkst, ich wiederhole mich? Wie gemein!

Ulf: Ich wollte doch nur, dass die Story nicht zu süßlich wird. Glaubst du nicht, das wird langweilig?

Tricia: Weißt du, was ich denke? Wenn man die Mächtigen dieser Welt mal an einen Tisch setzen würde und sagen, dass sie sich nett unterhalten sollen, dann wären wir vielleicht nicht in einer so schlimmen Situation. Alle wollen immer für ihren Vorteil kämpfen. Daran glaube ich nicht.

Ulf: Na gut, dann sind wir einfach zwei Designer, die viel Respekt füreinander haben.

Fotos: Oliver Suckling / CliQQ Photography

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